Antrag: Den Müll im Meer nachhaltig reduzieren

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) der Europäischen Union (Richtlinie 2008/56 EG) formuliert das Ziel, bis 2020 einen guten Zustand der Meeresumwelt zu erreichen. Für die deutsche Nordsee kommt die am 30.05.2012 vom Bund-Länder-Ausschuss Nord- und Ostsee vorgelegte Anfangsbewertung des Umweltzustandes der deutschen Nordsee zu dem Ergebnis, dass dieses Ziel bisher bei weitem nicht erreicht ist.

Der Umfang und die Auswirkungen des Eintrags von Müll in die Nordsee sind in der Anfangsbewertung detailliert dargestellt: Demnach werden jährlich rund 20.000 Tonnen Abfälle in die Nordsee eingetragen, die zu rund ¾ aus Kunststoffen oder Styropor bestehen. Diese Einschätzung deckt sich mit der vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz (NLWKN) durchgeführten Analyse des im Rahmen des Programms „Fishing for Litter“ angelandeten Mülls: Demnach bestehen 70% der angelandeten Müllmenge bezogen auf die Trockenmasse aus Kunststoffen; bezogen auf die Müllteile machen Kunststoffe sogar 95% aus. Etwa die Hälfte der Masse der angelandeten Kunststoffe wurde als Netze identifiziert, rund ein weiteres Viertel sind Seile. Die Quelle des Meeresmülls ist nach Aussagen des NLWKN zu rund 44% zumindest nicht eindeutig zuzuordnen; rund ein Drittel wird der Schifffahrt und der Fischerei zugeschrieben, etwa ¼ den privaten Haushalten incl. Tourismus und Freizeitnutzung. Erkenntnissen des Alfred-Wegner-Instituts aufgrund von Befliegungen der deutschen Nordsee gibt es einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Schiffs- und Mülldichte.

Die Auswirkungen des Plastikmülls auf die Meeresumwelt werden in der Anfangsbewertung zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie eindrücklich dargestellt: Seevögel verspüren durch Plastikteile im Magen ein permanentes Sättigungsgefühl, das bis zum Verhungern der Tiere führt. In den Mägen der zwischen 2002 und 2006 entlang der Nordseeküste gesammelten toten Eissturmvögel befanden sich im Durchschnitt 32,4 Müllteile. Weitgehend unerforscht, jedoch nicht weniger problematisch sind nach Einschätzung des Alfred-Wegner-Instituts Mikroplastikpartikel im Meer, die sowohl über die Flüsse direkt eingetragen werden, als auch durch den Zerfall größerer Kunststoffteile entstehen. Diese Partikel werden vom Zooplankton aufgenommen, sorgen dort für Veränderungen der Organismen und gelangen über die Nahrungskette auch in Fische und Meeressäuger.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. Das in Zusammenarbeit mit den niedersächsischen Küstenfischern und dem NABU organisierte Projekt „Fishing for Litter“ fortzusetzen und – soweit möglich – auszuweiten.
  2. Eine Änderung des Niedersächsischen Abfallgesetzes mit dem Ziel zu prüfen, die Gebühren für die Entsorgung des von den Schiffen angelandeten Mülls zu einem fixen Bestandteil der Hafengebühren zu machen.
  3. Die Entwicklung und den Einsatz von biologisch abbaubaren Alternativen für den Scheuerschutz von Schleppnetzen zu fördern.
  4. Die Erforschung der Auswirkungen von Mikroplastik auf die benthische Meeresumwelt und die im Meer lebenden Organismen nachhaltig zu unterstützen.
  5. Die Erforschung der Quellen und Verbreitung von Plastikmüll und insbesondere von Mikroplastikartikeln zu unterstützen und diesbezügliche bestehende Wissenslücken zu schließen.
  6. Sich gegenüber dem Bund und den Küstenanrainern der Nordsee auf nationaler wie internationaler Ebene dafür einzusetzen dass,
  • eine gemeinsame Task Force „Müllvermeidung und Müllbeseitigung in der Nordsee“ gegründet wird,
  • Maßnahmen zur Vermeidung von Plastikmüll und insbesondere von Mikroplastikpartikeln ergriffen werden, die bereits an der Quelle ansetzen. Sowie
  •  Alternativen zum Einsatz von Mikroplastikpartikeln in Kosmetika oder Reinigungsmitteln entwickelt und technische Rückhaltemöglichkeiten für Mikroplastikpartikel in Haushaltsgeräten und Kläranlagen entwickelt werden.
  • die Überwachung der Schifffahrt hinsichtlich der Müllentsorgung optimiert wird,
  • die Öffentlichkeit stärker für die Problematik des Eintrags von Müll aller Größenfraktionen in die Nordsee sensibilisiert wird

Begründung:

Das Land Niedersachsen hat mit seinen rund 300 Kilometern Küstenlinie an der deutschen Nordseeküste eine besondere Verantwortung für den und ein besonderes Interesse am Schutz der Nordsee vor Mülleinträgen. Das Projekt „Fishing for Litter“, mit dem den Fischern die Möglichkeit gegeben wird, den mit ihren Netzen eingesammelten Müll kostenlos an Land zu entsorgen, ist ein gutes Beispiel dafür, wie das Land seiner Verantwortung bereits in vorbildlicher Weise gerecht wird: Im Jahr 2013 wurden auf diese Weise allein durch die Kleine Küstenfischerei mehr als dreieinhalb Tonnen Meeresmüll aus der Nordsee geholt.

In den Ostseehäfen, wie auch im Nordseehafen  von Rotterdam wurde ein No-Special-Fee-System etabliert, in dem die die Gebühren für die Entsorgung des Schiffsmülls regulärer Bestandteil der Hafengebühren sind. Mit dem so entfallenden Anreiz, Müll illegal auf See zu entsorgen, konnten die Einträge von Plastikmüll in das Meer erheblich reduziert werden. Die Landesregierung sollte daher – ggf. in Kooperation mit Häfen der Nordrange – prüfen, dieses System auch in den niedersächsischen Häfen zu etablieren.

Ein nicht unerheblicher Teil der fischereibürtigen Kunststofffraktion des Meeresmülls in der südlichen Nordsee besteht aus Resten des Scheuerschutzes von Schleppnetzen. Diese Reste stellen eine besondere Bedrohung für Seevögel dar, da sie häufig zum Nestbau verwendet werden und das Risiko bergen, dass sich die Vögel in ihnen verfangen. Die Landesregierung sollte daher gemeinsam mit den anderen Nordseeanrainern umweltverträglichere – z. B. biologisch abbaubare - Alternativen für den Scheuerschutz entwickeln. Ein diesbezügliches Forschungsvorhaben in den Niederlanden hat leider noch keine praktikablen Alternativen aufzeigen können.

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