Antrag: Klimaschutz voran bringen, Europäischen Emissionshandel reformieren, faire Rahmenbedingungen für die Industrie schaffen, kosteneffiziente Energiewende fördern

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Um den Klimawandel und die Folgen für Mensch Umwelt wirksam zu begrenzen, soll die durchschnittliche Erwärmung die 2-Grad-Schwelle nicht überschreiten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine Reduktion der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent notwendig. Dafür stehen der Klimapolitik verschiedene Maßnahmen zur Verfügung.

Das Europäische Emissionshandelssystem ist ein zentrales Instrument der europäischen Klimaschutzpolitik, das 2005 eingerichtet wurde. Es ist das weltweit größte und gilt als Vorbild für ein notwendiges künftiges weltweites Emissionshandelssystem. Es umfasst energieintensive Industriebranchen, die Stromwirtschaft sowie den inner-europäischen Flugverkehr.

Der Emissionshandel soll finanzielle Anreize für kosteneffiziente Klimaschutzmaßnahmen setzen. Als marktwirtschaftliches Instrument soll das Emissionshandelssystem faire Rahmenbedingungen schaffen, die für alle Unternehmen gelten und ihnen Planungssicherheit für Investitionen in Effizienzmaßnahmen geben. Die Einnahmen aus der Versteigerung von Emissionsrechten fließen in der Bundesrepublik in den Energie- und Klimafonds, aus dem Projekte zum Ausbau der Erneuerbaren Energien und zur Steigerung der Energieeffizienz finanziert werden.

Derzeit geht vom Europäischen Emissionshandel jedoch nicht die vorgesehene Lenkungswirkung aus. Ein Überangebot von Emissionsberechtigungen hat zu einem massiven Einbruch der Preise geführt. Über zwei Milliarden überschüssige Berechtigungen sind auf dem Markt. Dieser Überschuss könnte die europaweiten Emissionen eines gesamten Jahres decken.

Die substanziellen Defizite des Emissionshandels führen in der Bundesrepublik auch zu dem paradoxen Effekt, dass in den letzten Jahren die CO2-Emissionen wieder gestiegen sind, obwohl der Anteil der Erneuerbaren am Strommix erheblich gewachsen ist – erst in 2014 ist der CO2-Ausstoß erstmals wieder leicht gesunken. Die niedrigen Zertifikatpreise begünstigen die ineffiziente und klimaschädliche Verstromung von Braunkohle, während ausgerechnet hochmoderne und CO2-effiziente Gaskraftwerke wegen ihrer höheren Stromgestehungskosten aus dem Markt gedrängt werden, obwohl gerade diese die wetter- und tageszeitbedingte variable Verfügbarkeit der Erneuerbaren technisch besser ergänzen.

Zudem erschwert das sogenannte „Grandfathering“ ein energieeffizientes Wirtschaftswachstum. Bislang wird die Menge der kostenlos zugeteilten Emissionen auf Basis der Produktionsmengen der vorangegangenen Jahre ermittelt. Dies  hat einerseits für erhebliche Zertifikateüberhänge bei Unternehmen gesorgt, deren Produktion insbesondere durch die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 zurückgegangen ist. Unternehmen, die ihren Absatz steigern, müssen jedoch für die zusätzlichen Produktionseinheiten in vollem Umfang Emissionszertifikate zukaufen. Dagegen würde eine dynamische, an der tatsächlichen Produktion orientierte Zuteilung der Zertifikate Anreize für ein klimafreundliches Wachstum schaffen. Die technische Performance von Anlagen würde gegenüber konjunkturellen Produktivitätsschwankungen in den Vordergrund rücken. Zudem könnte eine dynamische Allokation das Risiko mindern, dass Unternehmen ihre Produktion in Nicht-EU-Länder verlagern, um den Belastungen des Emissionshandels zu entgehen.

Um den Klimawandel wirksam zu verlangsamen, muss die europäische Klimaschutz- und Energiepolitik einen Weg vorzeichnen, der die CO2-Emissionsen bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent erfolgreich reduziert. Vor dem Hintergrund, dass das Emissionshandelssystem seine potentielle Wirkung derzeit nicht entfaltet, diskutiert die EU eine Reform des Instruments. In dieser auch für den Industrie- und Energiestandort Niedersachsen wichtigen Debatte soll auch das Land seine Interessen einbringen.

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag begrüßt

  • die Beschlüsse des Bundesrats vom 14. März 2014 zum Rahmen der Klima- und Energiepolitik 2020 bis 2030 sowie zur Einführung einer Marktstabilitätsreserve und unterstützt die Forderungen nach verbindlichen und ambitionierteren Zielvorgaben für 2030 sowie nach qualifizierteren Anforderungen zur Anrechenbarkeit von internationalen Klimaschutzprojekten.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich auf Bundes- und Europaebene dafür einzusetzen

  • das Europäische Emissionshandelssystem zügig zu reformieren, um klare Preissignale für einen kosteneffizienten Klimaschutz zu setzen und für die Unternehmen faire Rahmenbedingungen und langfristige Planungssicherheit für Investitionen in klimagerechte Energien und Effizienztechnologien zu schaffen
  • den Überschuss von Emissionsrechten wirksam zu begrenzen und die Marktstabilitätsreserve bereits ab 2017 einzuführen.
  • Mechanismen zu prüfen, wie mittels einer dynamischen Allokation von Emissionsrechten zusätzliche Anreize für energieeffizientes und nachhaltiges Wachstum geschaffen und Produktionsrückgänge nicht zusätzlich belohnt werden
  • die Carbon-Leakage-Liste dahingehend zu überarbeiten, die Ausnahmen auf energieintensive Unternehmen zu beschränken, die im internationalen Wettbewerb stehen.

Begründung

Die Europäische Kommission hat im vergangenen Jahr einen Vorschlag für die Weiterentwicklung der europäischen Klima- und Energieziele vorgelegt. Demnach sollen die Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um 40 Prozent reduziert werden, im Vergleich zum Basisjahr 1990. Der Anteil Erneuerbarer Energien soll auf 27% ausgebaut, die Energieeffizienz um 27% gesteigert werden. Das Ziel für den Ausbau der Erneuerbaren soll jedoch nur auf EU-Ebene und nicht je Mitgliedstaat verbindlich gelten, für die Steigerung der Energieeffizienz ist lediglich eine unverbindliche Zielvorgabe vorgesehen.

Der Bundesrat hat festgestellt, dass die Vorschläge der Kommission die Potenziale der verfügbaren und noch zu entwickelnden Technologien und die Chancen eines modernen und zukunftsgerichteten Klimaschutzes nicht ausreichend nutzen. Der Bundesrat fordert ein ambitioniertes und verbindliches Ziel für die Steigerung der Energieeffizienz. Das gesamteuropäische Ausbauziel für Erneuerbare Energien solle auf 30 Prozent angehoben und länderspezifisch verbindlich verankert werden.

Der Überschuss an Emissionsrechten hat mehrere Ursachen. Die Eurokrise hat zu einem unerwarteten Rückgang der Wirtschaftsleistung und der Treibhausgasemissionen geführt. Zudem können Emissionsminderungen, die durch internationale Klimaschutzmaßnahmen erreicht werden, für den Emissionshandel angerechnet werden. Zertifikate aus den flexiblen Instrumenten („Clean Develop-ment Mechanism“ und „Joint Implementation“) vergrößern die Summe der verfügbaren Zertifikate. Laut dem Bericht des Bundesrechnungshofs zu den Einnahmen aus dem Emissionshandel vom 31.3.2014 lag in Deutschland die Summe der Gutschriften aus internationalen Klimaschutzprojekten deutlich höher als die Summe der jährlichen Überschüsse. Bislang gibt es keine Obergrenzen für die Anrechnung von Zertifikaten aus internationalen Klimaschutzmaßnahmen.

Um die Preise zu stabilisieren, wurde bereits das sogenannte Backloading eingeführt. In den Jahren 2014 – 2016 werden 900 Millionen Berechtigungen vorläufig vom Markt genommen. Ihre Ausgabe wird innerhalb der laufenden Handelsperiode auf die Jahre 2019 und 2020 verschoben werden. Die Europäische Kommission hat zudem vorgeschlagen, in der vierten Handelsperiode ab 2021 mit einer Marktstabilitätsreserve den Zertifikatüberschuss zu reduzieren und das Handelsvolumen in Phasen schwankender Nachfrage zu stabilisieren. Die lettische Ratspräsidentschaft schlägt zudem vor, die über das Backloading entnommenen Zertifikate direkt in die neue Markstabilitätsreserve zu geben.

Um die Wirkung des Emissionshandels wiederherzustellen, ist jedoch ein zügiger Abbau des Zertifikatüberschusses notwendig. Das Backloading sieht bisher nur eine Verzögerung der Ausgabe von Handelsberechtigungen über wenige Jahre vor. Da sich der Überschuss voraussichtlich jedoch in den nächsten Jahren weiter vergrößert, ist eine dauerhafte Entnahme von Zertifikaten notwendig. Um das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu reduzieren, muss der Marktstabilisierungsmechanismus zudem bereits ab 2017 eingeführt werden.

Carbon Leakage beschreibt die Gefahr, dass energieintensive Unternehmen wegen zusätzlicher finanzieller Belastungen abwandern und Treibhausgasemissionen so in Nicht-EU-Länder verlagert werden. Energieintensive Industriebranchen, die im internationalen Wettbewerb stehen, erhalten deshalb eine kostenlose Zuteilung der Zertifikate. Zudem erhalten Unternehmen, bei denen ein erhebliches Risiko von Carbon Leakage besteht, staatliche Beihilfen zum Ausgleich der Zusatzkosten, die durch Umlage der Kosten des Emissionshandels auf den Strompreis entstehen. Der Bundeshaushalt 2015 sieht für diese Beihilfe 203 Millionen Euro vor.

Bislang profitieren in der Bundesrepublik jedoch nahezu alle in den Emissionshandel einbezogenen Anlagen von den Ausnahmen nach den Carbon-Leakage-Regeln. Über alle Anlagen hinweg betrug die Gesamtmenge der kostenlosen Zuteilung für das Jahr 2013 in Deutschland 168,8 Millionen Zertifikate. Auf knapp 89 Prozent dieser Gesamtmenge wurde die Privilegierung nach den „Carbon Leakage“-Regeln angewandt.

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