Rede Volker Bajus: Aktuelle Stunde (GRÜNE) zur Klimakonferenz in Marrakesch

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

vor knapp einem Jahr ging vom Pariser Klimagipfel das klare Signal aus: Ja, wir nehmen die größte Herausforderung der Menschheit an und wenden die Klimakatastrophe ab.

Wir wollen die Lebenschancen von vielen Millionen Menschen in ihrer Heimat bewahren, wollen den Meeresanstieg verhindern. Eine Super-Nachricht gerade auch für Niedersachsen, das als Küsten- und Agrarland besonders betroffen ist. Die Weltgemeinschaft will alles dafür tun, um auch unsere Küstenlinie zu halten, von Emden über die ostfriesischen Inseln, Wilhelmshaven, Cuxhaven bis ins Alte Land, ...

Jetzt bei der Nachfolgekonferenz in Marrakesch ging es um die Umsetzung. Man war gespannt, was nun kommen würde.

Steht die Weltgemeinschaft zu Paris oder waren die Beschlüsse nur ein diplomatisches Zufallsprodukt?

Daher war die Rolle der Bundesregierung, dem einstigen klimapolitischen Musterknaben, so wichtig. Große Erwartungen waren an den Klimaschutzplan 2050 geknüpft.

Erwartungen übrigens auch von über 40 großen Unternehmen in Deutschland, die im Vorfeld des Gipfels klar machten: „Für Unternehmen und Investoren ist von hoher Bedeutung, dass der Klimaschutzplan eindeutige Signale gibt, dass die in Paris gemachten Zusagen umgesetzt werden."

Die 40 waren nicht die „üblichen Verdächtigen“ wie Enercon oder Solarworld, sondern die Commerzbank, Hochtief, EnBW, die Metro, die Telekom, Adidas. 

Aber statt klarer Ansagen für zukünftige Investitionsentscheidungen geht die Bundesregierung auf Schlingerkurs. Auf dem G7-Gipfel rief Merkel noch die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft aus und bejubelte die Pariser Beschlüsse. Und dann - legt die Große Koalition bei der EEG-Reform den Deckel auf den Ökostrom-Ausbau und zögert bei Effizienz, Sektorenkopplung und E-Mobilität.

Und jetzt, kurz vor Marrakesch, sah es so aus, als müsse ausgerechnet die Bundesumweltministerin mit leeren Händen. Erst in letzter Sekunde gelang ein Kompromiss.

Ein Kompromiss so widersprüchlich wie die Klimapolitik der letzten Jahre, mit denen bereits die Klimaziele 2020 verpasst werden.

Ein Plan an dem noch das Beste ist, dass es ihn überhaupt gibt. Was fehlt, ist

  • ein ambitioniertes Klimaziel mit über 90 % Reduktion
  • ein Enddatum für den Klimakiller Kohle,
  • ein klares Bekenntnis zu 100 % Erneuerbaren.

Kein Wunder also, wenn Deutschland im jüngsten Klimaschutz-Index von Germanwatch auf Platz 29 abrutscht. Selbst Indien, Ägypten und Indonesien tun mehr. Deutschland ist Klima-Mittelmaß. Das reicht nicht.

Selbst bitterarme Länder gehen voran: Knapp 50 Staaten haben in Marrakesch erklärt, vollständig auf Erneuerbare Energien umzustellen. Darunter Bangladesch, Äthiopien und die Mongolei. Klimaschutz ist keine Luxusangelegenheit. Klimaschutz ist die Verteidigung unserer gemeinsamen Lebensgrundlagen.

Klar, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Wir brauchen einen langen Atem. Insofern war es ein wichtiges Signal, dass Deutschland überhaupt einen Klimaschutzplan mit konkreten Sektorenzielen bis 2030 vorgelegt hat. Doch damit das 1,5-Grad-Ziel nicht bloßes Lippenbekenntnis bleibt, muss nachgelegt, der Kohleausstieg terminiert und das Ziel 100% Klimaschutz, 100 % Erneuerbare fixiert werden.

Das sind wir auch den betroffenen Branchen, den Beschäftigten und ihren Familien schuldig. Ein Strukturwandel ohne Fahrplan gibt keine Verlässlichkeit. Ein Klimaplan ohne Ehrgeiz befördert keinen Technologieschub.

Anrede,

Wir, die Politik, sind es doch, die Innovation antreiben müssen, und nicht die Bremser-Lobby von gestern. Wir dürfen den notwendigen Strukturwandel, den Umbau der Wirtschaft und die Entwicklung von neuen Technologien nicht verschlafen.

Die Folgen halbherziger Politik sind doch bekannt.  Würden wir sonst mit großen Sorgen auf Deutschlands größte Wirtschaftsbranche schauen? Die Automobilindustrie erlebt gerade, wie schmerzhaft eine Aufholjagd ist, im Angesicht all der verpassten Chancen.

Dazu noch ein Zitat aus dem Brief der 40 Unternehmen:

„Der Klimaschutzplan sollte deutschen Unternehmen die Handlungsgrundlage dafür geben, mit Innovationen für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen international führend sein zu können. Unternehmerischer Klimaschutz schafft Arbeitsplätze und sichert die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland.“

Natürlich brauchen wir Sozialverträglichkeit. Und die kostet Zeit. Aber das Aussitzen eines verbindlichen Kohleausstiegs-Fahrplans, das geht nicht.

Vielen Dank!

Zurück zum Pressearchiv