Antrag: Förderung für Niederdeutsch und Saterfriesisch verstetigen und weiter ausbauen

Fraktion der CDU
Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Fraktion der FDP

Der Landtag wolle beschließen und fordert die Landesregierung dazu auf:

Entschließung

Die 1998 von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierte Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen bildet den rechtlichen Rahmen, in dem das Land Niedersachsen seit über zwanzig Jahren seine Sprachenpolitik entwickelt. Sprachenpolitik kann einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Gleichberechtigung leisten und ist daher von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Das Land Niedersachsen hat in der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen festgelegt, auf welche Weise und mit welchen Maßnahmen es die Chartasprachen zu fördern gedenkt.

Niedersachsen ist ein Mehrsprachenland. Die Regionalsprache Niederdeutsch sowie die Minderheitensprache Saterfriesisch sind Teil unserer Identität. Der Landtag ist sich der Wichtigkeit der Sprachencharta bewusst und setzt sich dafür ein, dass auf dieser Grundlage ein eigenständiges sprachenpolitisches Konzept für Niedersachsen formuliert wird, das die Umsetzung der Chartamaßnahmen befördert und in alle Bereiche des Regierungshandelns hineinwirkt. Grundlegend dafür ist ein gleichberechtigtes Nebeneinander der Mehrheitssprache und der Regional- oder Minderheitensprachen in Niedersachsen. Es muss für die Sprecher des Niederdeutschen und des Saterfriesischen Möglichkeiten geben, ihre Sprache im Alltag zu nutzen. Das schließt sowohl Möglichkeiten und Angebote des Erlernens und Vertiefens der Sprechfähigkeit (vom Kindergarten bis zu Universität) als auch ihre Verwendung im öffentlichen Raum mit ein.

Der Landtag knüpft in voller Überzeugung an die bisher diesbezüglich gefassten Beschlüsse an. Er strebt einen Handlungsplan der Landesregierung an, mit dem die Maßnahmen aus der Sprachencharta fortgeschrieben und umgesetzt werden. Ziel ist es, die Chartasprachen in den kommenden Jahren dauerhaft zu stärken und das Leitbild von Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit in unserer Gesellschaft zu verankern.

Der Landtag ist davon überzeugt, dass Mehrsprachigkeit unser Land bereichert. Sein Ziel ist es, diese Mehrsprachigkeit auf hohem Niveau und mit vielfältigen Maßnahmen zu stärken und zu fördern. Das vorrangige Ziel dieser Entschließung ist, Möglichkeiten zu bieten, die Chartasprachen erlernen und vertiefen zu können, denn immer häufiger werden sie nicht mehr in den Familien weitergegeben. Umso größere Bedeutung kommt dem Lehrangebot zu. Hier strebt der Landtag an, dass die Regional- oder Minderheitensprachen von der Kindertagesstätte über die Schule und die berufliche Bildung bis hin zur Hochschule, durchgängig angeboten werden, wobei dies für das Saterfriesische regional begrenzt umzusetzen sein wird. Ein durchgängiges Bildungsangebot für diese Sprachen ist die unerlässliche Grundlage für den Fortbestand der Mehrsprachigkeit in unserem Land. Dem Landtag ist bewusst, dass mit der Einrichtung eines Unterrichtsfaches Niederdeutsch Mittel für Personal wie auch für Sachmittel zur Verfügung gestellt werden müssen. Der Landtag setzt sich dafür ein, dass die hierfür erforderlichen Ressourcen und Strukturen bereitgestellt werden.

Darüber hinaus sieht der Landtag es als wichtig an, dass Angehörige einer Sprechergruppe im Laufe ihres Lebens möglichst jederzeit mit ihrer Sprache und ihrer Kultur in Kontakt bleiben können. Mehrsprachigkeit soll gelebt werden können. Der Landtag will für die Menschen, die ihre Regional- oder Minderheitensprache sprechen möchten, Gelegenheiten schaffen, dies in unterschiedlichen Lebensbereichen und Lebensabschnitten zu tun.

Das bisherige Engagement des Landes für die Regional- und Minderheitensprachen in Niedersachsen zeigt sich im Bildungsbereich an:

  • Konsolidierung des Fachgebietes Niederdeutsch im Bereich der Soziolinguistik und Pragmatik im Institut für Germanistik an der Universität Oldenburg,
  • der Umsetzung und Verlängerung des Erlasses „Die Region und ihre Sprachen im Unterricht“,
  • der Verstetigung der Beratung und der Fortbildung von Lehrkräften durch die niedersächsische Landesschulbehörde,
  • der Durchführung und Verlängerung des Grundschulprojekts „Ostfriesland und das Saterland als Modellregion für frühe Mehrsprachigkeit“,
  • sowie an den Starthilfen für Schulen, die Niederdeutsch oder Saterfriesisch anbieten möchten, und der Auszeichnung von Schulen, die in diesem Bereich erfolgreich sind. („Plattdeutsche oder Saterfriesische Schule“).

Im Kulturbereich zeigt sich das bisherige Engagement des Landes beispielsweise an der Förderung

  • öffentlichkeitswirksamer Projekte wie dem PLATTArt-Festival oder dem Jugendband-Wettbewerb „Plattsounds“,
  • wissenschaftlich fundierten Projekten wie dem Online-Wörterbuch für Ostfriesland
  • sowie spartenbezogener Unterstützung (plattdeutsches Theater, Landschaften und Landschaftsverbände u. v. m.).

Basierend auf den bisherigen Maßnahmen und diese verstetigend und ausbauend spricht sich der Niedersächsische Landtag darüber hinaus für folgende Maßnahmen aus:

  • im vorschulischen Bereich Ausgestaltung und Absicherung von Aus- und Fortbildungsangeboten im Bereich Niederdeutsch/Saterfriesisch/Sprachvermittlungsmethoden für Erzieherinnen und Erzieher;
  • die Träger von vorschulischen Einrichtungen dafür zu gewinnen, Kindern durch das Angebot von Niederdeutsch oder Saterfriesisch den Weg in die frühe Mehrsprachigkeit zu eröffnen;
  • im Grundschulbereich Absicherung und Ausbau der bisher aufgebauten Strukturen und weitere Unterstützung für Niederdeutsch und Saterfriesisch;
  • Aufbau einer dem Grundschulbereich vergleichbaren Unterstützungsstruktur für die Schulen des Sekundarbereichs I;
  • Bereitstellung von Mitteln für die Veröffentlichung und den Erwerb von Lehr- und Lernmaterial;
  • Erarbeitung von Kerncurricula für den Unterricht in Niederdeutsch mit dem Ziel, dass Niederdeutsch im Sekundarbereich I und im Sekundarbereich II als Sprache gewählt werden kann,
  • Stärkung des Fachgebietes Niederdeutsch im Bereich der Soziolinguistik und Pragmatik des Instituts für Germanistik an der Universität Oldenburg, mit dem Ziel, die personellen und sächlichen Ressourcen sukzessive so auszubauen, dass dort zukünftig die Voraussetzungen für ein grundständig studierbares Unterrichtsfach „Niederdeutsch“ geschaffen werden; des Weiteren Implementierung des Faches Niederdeutsch als Erweiterungsfach, das niedersächsische Lehrerinnen und Lehrer innerhalb eines Weiterbildungsstudiums (Zertifikatsstudium) absolvieren können;
  • Bereitstellung der Personal- und Sachmittel, die durch die Einrichtung eines Faches Niederdeutsch sowohl an Schulen wie auch an Universitäten entstehen;
  • Ausgestaltung und Absicherung von qualifizierten berufsbegleitenden Fort- und Weiterbildungsangeboten, z. B. für Pflegekräfte oder Verwaltungsangestellte, oder Integration von Spracherwerb in die entsprechenden Ausbildungsgänge;
  • Weiterentwicklung und Stärkung von Fort- und Weiterbildungsangeboten für Dozenten in der Erwachsenenbildung;
  • Weiterentwicklung und Stärkung der Kulturförderung für Niederdeutsch und Saterfriesisch;
  • Ergreifung von Maßnahmen zur Implementierung von Art. 10 der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (Normalisierung des Gebrauchs von Niederdeutsch und Saterfriesisch innerhalb der regionalen oder örtlichen Verwaltung);
  • zu prüfen, ob eine Öffnung des §184 Gerichtsverfassungsgesetz für die niederdeutsche Sprache zweckdienlich wäre und sich ggf. auf Bundesebene dafür einzusetzen;
  • sich dafür einzusetzen, dass die Belange der norddeutschen Sprecher von Regional- oder Minderheitensprachen im NDR-Landesrundfunkrat angemessen vertreten werden.

Diese Maßnahmen zeigen die Entschlossenheit des Landtags, den mit der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen begonnenen Prozess, die historisch überlieferte Mehrsprachigkeit des Landes zu fördern und zu erhalten, fortzusetzen. Der Landtag bekräftigt, dass er Sprachenpolitik als eine ressortübergreifende Aufgabe und als eine Daueraufgabe versteht, die mit diesen Maßnahmen nicht abgeschlossen sein wird. Durch die Umsetzung der hier genannten Schritte bezeugt die Landesregierung, dass sie die Umsetzung der europäischen Sprachencharta verlässlich voranzutreiben gedenkt.

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