Kleine Anfrage:"Versäumnisse" der Polizeiinspektion Northeim bei mutmaßlichen Fällen von schwerem sexuellen Missbrauch an Kindern mit Verbindungen zu den Missbrauchsfällen in Lügde - Warum wurde der Landtag erst ein Jahr später informiert?

Anfrage der Abgeordneten Susanne Menge und Volker Bajus

Anfrage der Abgeordneten Susanne Menge und Volker Bajus (GRÜNE) an die Landesregierung, eingegangen am 10.02.2021

In der Sitzung des Ausschusses für Inneres und Sport am 04.02.2021 unterrichtete die Landesregierung erstmalig über „Versäumnisse“ der Polizeiinspektion (PI) Northeim bei der Bearbeitung eines Falles von schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und eine daraufhin durch das Innenministerium veranlasste polizeiinterne Aufarbeitung. Mehrere Medien, wie etwa die HAZ, die Neue Presse und der Rundblick, berichteten am 05.02.2021. Demnach soll die PI Northeim bereits ab dem Frühjahr 2019 vom örtlichen Jugendamt durch mehrere Schreiben wiederholt und nachdrücklich Hinweise auf zwei Männer erhalten haben. Die Männer sollen Verbindungen zum Haupttäter der Missbrauchsserie in Lügde (NRW) gehabt haben. Seitens des Jugendamtes bestand der Verdacht, die beiden Männer könnten (auch) ihre eigenen Kinder missbrauchen bzw. missbraucht haben. Die PI Northeim leitete diese Informationen jedoch scheinbar rund ein Jahr nicht an die zuständige Staatsanwaltschaft weiter, sondern lediglich an die Sonderkommission in NRW zum Missbrauchskomplex in Lügde. Dies soll aufgrund einer internen Anweisung erfolgt sein. Im März 2020 leitete die Staatsanwaltschaft in NRW ein Ermittlungsverfahren gegen einen der Männer ein und beantragte einen Durchsuchungsbeschluss. Der Mann wurde schließlich festgenommen. Gemäß der Unterrichtung im Innenausschuss sind dem Innenministerium die genannten Vorgänge bereits seit dem 04.03.2020 bekannt. Im Zuge der internen Aufarbeitung wurde Mitte Dezember 2020 vom Innenministerium ein interner Abschlussbericht vorgelegt. Der Festgenommene ist inzwischen wegen schweren sexuellen Missbrauchs in mindestens 28 Fällen an 5 Mädchen zwischen 6 und 13 Jahren angeklagt. Er soll die ihm zur Last gelegten Taten laut Landgericht Göttingen bis November 2019 begangen haben. Nach Auffassung von Beobachtern hätten zumindest einige der (mutmaßlichen) Taten mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindert werden können, wenn die PI Northeim seinerzeit richtig reagiert hätte. Personelle Konsequenzen wurden nicht gezogen. Strafrechtliche Vorwürfe gegenüber den involvierten Polizeibeamtinnen und -beamten bestehen derzeit nicht. Dienstrechtliche Folgen werden von der Polizeidirektion Göttingen geprüft.

1. Wann und wodurch hat die PI Northeim zum ersten Mal Kenntnis über mögliche Fälle von Kindesmissbrauch zweier Väter in Northeim erhalten?

2. Welche Schritte hat die PI Northeim, nachdem sie den ersten Hinweis erhalten hat, eingeleitet (bitte auflisten)?

3. Mit welchem Vorgesetzten, welcher Stelle der Polizei oder sonstigen öffentlichen Einrichtung in Niedersachsen haben die Beamtinnen und Beamten der PI Northeim, nachdem sie den Hinweis auf sexualisierte Gewalt erhalten haben, wann Kontakt aufgenommen?

4. Aus welchen Gründen hat die PI Northeim nicht unverzüglich Ermittlungen gegen die Väter eingeleitet, obwohl die Kolleginnen und Kollegen in NRW laut Aussage im Innenausschuss betont haben, dass sie selbst nicht ermitteln?

5. Wie viele Polizeibeamtinnen und -beamte waren in die Bearbeitung des Falles involviert?

6. Wann erfolgte erstmalig die Kontaktaufnahme zur Staatsanwaltschaft in dieser Angelegenheit? Was hat diese daraufhin veranlasst?

7. Gab es zu irgendeinem Zeitpunkt eine Weisung innerhalb der PI Northeim, die Staatsanwaltschaft und/oder übergeordnete Dienststellen in dieser Sache nicht zu informieren bzw. die erhaltenen Informationen nur an die Polizei in NRW weiterzuleiten? Wenn ja, wann ist diese er-folgt? Wer war dafür verantwortlich?

8. Wann wurde durch die PI Northeim erstmals gegen die Väter ermittelt?

9. Wann und wie wurde die Polizeidirektion Göttingen über den Sachverhalt erstmalig informiert, und was hat diese daraufhin unternommen bzw. veranlasst?

10. Wann und von wem wurden das Innen-, Justiz- und Sozialministerium eingeschaltet?

11. Wann und wie wurde der Landespolizeipräsident über den Sachverhalt erstmalig informiert, und was hat dieser daraufhin unternommen bzw. veranlasst?

12. Wann und wie wurde der Innenminister über den Sachverhalt erstmalig informiert, und was hat dieser daraufhin unternommen bzw. veranlasst?

13. Warum wurde der Landtag erst am 04.02.2021 erstmalig informiert, obwohl die genannten Vorgänge, die im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen in Lügde stehen, dem Innenministerium bereits seit dem 04.03.2020 bekannt waren?

14. In welchen Gremien des Landtages oder in welchen Fraktionen hat die Landesregierung seit dem öffentlichen Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in Lügde am 29.02.2019 über den Gesamtkomplex berichtet?

15. Welche der inzwischen angeklagten Taten wurden wann verübt (bitte chronologisch mit Datum auflisten)?

16. Wie viele Opfer waren bezugnehmend auf Frage 15 ab dem Frühjahr 2019, also nachdem die PI Northeim durch das Jugendamt Northeim informiert wurde, betroffen?

17. Wird gegen den zweiten Mann derzeit ermittelt, oder wird er als Zeuge geführt?

18. Welche Schutzmaßnahmen wurden zwischenzeitlich bezüglich des Kindes / der Kinder des zweiten Mannes unternommen, um sie vor möglichen weiteren Übergriffen zu schützen?

19. Wie sieht der Nachbereitungsprozess innerhalb der PI Northeim aus? Werden fachliche Expertisen eingeholt oder die Polizeiakademie um Unterstützung gebeten, um mit den Polizeibeamtinnen und -beamten der PI Northeim den Fall zu bearbeiten, um in Zukunft in solchen Fällen rechtssicher den bestehenden Verfahrensweisen gerecht zu werden?

20. Welches für alle Dienststellen der Polizeiinspektionen im Land Niedersachsen gültige Konzept bei sexualisierter Gewalt findet Anwendung?

21. Welche Opferschutzmaßnahmen sowohl im operativen polizeilichen Geschäft als auch auf der sozial-psychologischen Ebene werden im Fall sexualisierter Gewalt ergriffen?

22. Findet sich in den Konzepten der Landespolizei ein erkennbarer Schwerpunkt im Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Ausbildung, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie innerhalb der Landespolizei zur Weiterentwicklung der Arbeit in eigenen Polizeidienststellen?

23. Welche externen Institutionen sind in möglichen Konzepten gegen sexualisierte Gewalt als Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner aufgelistet?

 

Alle Informationen und die Antwort der Landesregierung (sobald verfügbar) gibt es hier.

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