Volker Bajus: Rede zur Kita-Fachkräfte-Offensive (Aktuelle Stunde CDU, TOP 28)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Manchmal glaubt man, man lebt in Parallel-Universen. Heute ist wieder so ein Tag. Da feiern sich SPD und CDU für etwas ab, bei dessen Anblick anderen überhaupt nicht zum Jubeln zumute ist, sondern ganz im Gegenteil: zum Protestieren.

Zu Recht.

Während die SPD sich mit ihrer aktuellen Stunde vor allem selber feiert, fokussiert die CDU hier das Problem des Fachkräftemangels. Zweifelsohne das größte Hindernis auf dem Weg zu guten Kitas in Niedersachsen.

Anrede,

grundsätzlich kann die dualisierte Ausbildung eine gute Brücke sein, um den Mangel aktiv zu überwinden. Ziel muss es aber sein, die Ausbildung insgesamt attraktiver zu machen, um mehr junge Menschen für eine Tätigkeit in der Kita zu gewinnen. Auch das Vergütungsdilemma kann durch die dualisierte Ausbildung ein wenig aufgelöst werden.

Eine dualisierte Ausbildung kann trägernah erfolgen, sie erlaubt eine frühzeitige Bindung an Standort und Einrichtung und hat viele Praxiselemente.

Was sie aber nicht sein darf, ist der Einstieg in eine Abwertung der pädagogischen Standards. In eine Absenkung des durchschnittlichen Qualifikationsniveaus. Wir brauchen ja nicht weniger pädagogisches Knowhow, sondern angesichts der gestiegenen Anforderungen mehr davon.

Von daher kommt es nicht auf die flotte Begrifflichkeit an, sondern auf die konkrete Ausgestaltung. Und da liefern Sie bislang ja nur Ankündigungen, aber nichts Verbindliches.

Das Thema ist doch lange genug auf der Tagesordnung. Dass das neue Kita Gesetz kommen muss, ist seit langem bekannt. Dann kam die Vorlage und enthielt dazu fast nichts. Jetzt bessern Sie nach, aber außer einem dürren Satz in Ihrer Pressemitteilung gibt es bislang nichts Verlässliches. Keinen neuen Gesetzentwurf, kein Konzept, auch keinen Entschließungsantrag. Weil Sie so viel Zeit verplempert haben, wird es jetzt knapp. Schon im nächsten Plenum muss das Gesetz verabschiedet werden, dazu hat sich das Land gegenüber dem Bund verpflichtet.

Das Thema dualisierte Ausbildung ist aber zu anspruchsvoll, um es mal eben nebenbei auf den Weg zu bringen. Schlecht gemachte Rahmenbedingungen gibt es in diesem Arbeitsfeld schon genug.

Von daher sind wir gespannt, wann und vor allem was Sie uns denn jetzt konkret wirklich vorlegen werden.

Dem Fachkräftemangel werden wir aber nicht begegnen, wenn es nicht gelingt den Teufelskreis aus schlechten Arbeitsbedingungen, alltäglichen Überlastungen, schlechter Bezahlung und wenig Anerkennung herauszukommen. Wenn 25 Prozent der Erzieher*innen in den ersten 5 Jahren aussteigen, dann stimmt eben das System nicht und das ist die schlechteste Werbung für mehr Nachwuchs.

Die Anforderungen sind eben deutlich größer geworden. Immer mehr Kinder bleiben immer länger in der Kita. Ihre Bedürfnisse werden immer diverser, der Förderungsbedarf wächst und die Bildungserwartungen steigen wie auch die Belastungen der Eltern. Ja und auch ganz profane Dinge wie die Anzahl der Wickelkinder im fortgeschrittenen Alter nimmt zu.

Wer sich noch erinnern kann, das ist ein enormer Zeitfresser, der auch nicht zu den beliebtesten Tätigkeiten gehört.

Hier braucht es Entlastungen der Kolleginnen und Kollegen in den Einrichtungen, die allesamt am Limit sind. Mehr junge Leute wird man nur gewinnen, wenn man auch das Arbeitsumfeld attraktiver macht.

Dazu haben wir in der Anhörung viele gute Vorschläge gehört.

Auch dazu, wie mehr Menschen aus den Hochschulen leichteren Zugang zum Beruf bekommen. Heute wird das noch unnötig erschwert. Hören Sie sich die Vorschläge aus der Uni Hildesheim nochmal an. Das Potential sollte nicht verschenkt werden und es kostet nicht einmal etwas. Das müsste doch dann auch im Rahmen Ihrer Möglichkeiten liegen.

Anrede,

es fällt mir schwer, Sie heute für diesen kleinen Trippelschritt zu loben. Draußen protestieren die Erzieher*innen. Diejenigen, die es wirklich wissen und sie sagen zurecht, dass diese kleine Nachbesserung, von der wir noch nicht einmal wissen, wie genau Sie sie umsetzen wollen, absolut hinter den Mindesterwartungen zurückbleibt.

Deswegen appelliere ich an Sie: Werden Sie sich erst intern einig, legen Sie dann konkrete Anträge bzw. Umsetzungsstrategien vor und dann können wir hier darüber diskutieren.

Mir und den Erzieher*innen da draußen ist heute in Ihrem Paralleluniversum zumindest nicht zum Jubeln zumute.

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