Volker Bajus: Rede "Kinder und Jugendliche zuerst! - Kitas und Schulen sichern und geöffnet halten"

TOP 11: Einbahnstraße Corona? Interessen von Kindern und Jugendlichen in und nach der Pandemie stärker berücksichtigen

TOP 12: Kinder und Jugendliche zuerst! - Kitas und Schulen sichern und geöffnet

halten

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

manchmal kommt man sich ja hier doch vor wie im Hamsterrad, wo sich alles wiederholt, oder täglich das Murmeltier aufs Neue grüßt. Das gilt auch für die jetzige Coronalage. Trotz aller Warnungen sind wir für den Winter nicht hinreichend vorbereitet.

Noch aber haben wir die Chance zumindest eines zu vermeiden: eine wochenlange - ja in manchen Regionen monatelange - Schließung von Schulen und Kitas. Das dürfen wir den Kindern und ihren Familien nicht noch einmal zumuten.

Anrede,

„Kinder und Jugendliche zuerst“. Das darf keine Sonntagsrede bleiben, sondern das muss auch im Alltag beim Infektionsschutz und der Krisenbewältigung Priorität haben. Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Bildung. Das hat das Bundesverfassungsgericht jetzt erstmals am 30. November festgestellt.  

Und zwar nicht nur wegen des Lernens, sondern auch, so das BVerfG, weil Schule „ein für die psychosoziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen wichtiger Sozialisationsraum“ sei. Oder um es mit den Worten der designierten Bundes-Familienministerin Anne Spiegel zu sagen: „Schulen und Kitas … sind nicht nur Lernorte, das sind Anker, die Geborgenheit und Sicherheit geben.“

Das gilt insbesondere für Kinder, die es zu Hause „nicht so einfach“ haben. Die zum Beispiel in zu kleinen Wohnungen leben, die keinen Garten haben, kaum digitale Ausstattung, geschweige denn Unterstützung beim Home Schooling oder dem Spracherwerb erhalten können. In Kita und Schule trifft man Freund*innen, es können häusliche Konflikte bearbeitet werden, man findet einen Schutzraum und kann sich Pädagog*innen anvertrauen, hat Zugang zu Freizeitangeboten und bekommt ein kostenloses warme Mittagessen.

Anrede,
All das ist jetzt wieder in Gefahr. Allein in der letzten Woche waren in Niedersachsen 65 Kitas und 165 Gruppen wegen Corona geschlossen. Über 3600 Schüler*innen in über 2300 Klassen und 288 Lehrkräfte waren infiziert.

Klar, verglichen zum Beispiel mit Sachsen, wo bereits mehr als ein Viertel aller Schulen betroffen und ganz oder teilweise geschlossen sind, ist das zum Glück noch wenig. Deswegen darf die Lage hier bei uns nicht weiter eskalieren.

Es ist alarmierend, wenn Kindermediziner*innen bei mehr als einem Fünftel der Kinder psychische Folgeprobleme der Pandemie feststellen. Auch die Eltern leiden. Deswegen müssen im Handeln des Landes die Interessen der Kinder endlich maximalen Stellenwert bekommen.

Das fängt bei den Schnelltests für Schulen und Kitas an. Es kann doch nicht sein, dass die Beschaffung so eng geplant wird, dass noch unklar ist, ob wir den Rest des Winters genug Tests haben.

Tests sollte es auch endlich für die unter Dreijährigen in den Kitas geben. In Osnabrück macht man das mit guten Erfolgen seit einem Jahr.

Ergänzend sollte das Land zumindest wöchentlich PCR Pooling Tests anbieten, weil diese sicherere Ergebnisse liefern.

Und warum gibt es eigentlich noch keine flächendeckenden versetzten Schulanfangszeiten?

Wenn ab nächster Woche Kinderimpfstoff verfügbar ist, dann wird es echt Zeit, dass das Land die Eltern gut informiert, ihnen die Sorgen nimmt und ergänzende, kindgerechte Impfangebote vorbereitet.

Schwer nachvollziehbar ist auch, warum das Land in Sachen Luftfilter nicht klare Vorgaben macht und wir stattdessen in jeder Kommune jetzt Debatten haben. Ehrenamtliche Ratsmitglieder müssen jetzt über Strömungstechnik, Lüftungsvolumina, Lärmbelastung und Aerosolkonzentrationen streiten. Während gleichzeitig die Antragsfrist für mobile Luftfilter am 30.11. abgelaufen ist, obwohl es Bedarf gibt und noch Geld im Fördertopf ist.

Kinder und Jugendliche zuerst, das muss auch für die Corona Regeln der Landesregierung gelten. Bislang sind sie zu Recht von den 2G und 2G Plus Vorschriften ausgenommen. Aber nur noch bis zum 31.12. Das sorgt für große Verunsicherung bei Eltern und Kindern und sollte sofort geändert werden. Sonst muss die 8-Jährige allein zu Hause bleiben, während die geimpften Eltern mit dem geimpften 14-Jährigen einkaufen.

Jetzt werden Sie sagen, das sei ja gar nicht so gemeint, … das glaube ich gerne, die Frage ist doch aber, warum passiert sowas? Immer wieder?

Kann es sein, dass diese Landesregierung Kinder und Jugendliche einfach nicht so auf dem Schirm hat. Im ersten Lockdown waren Schulen, Kitas und Jugendzentren als erstes geschlossen und leider als letztes wieder offen. Bei den privaten Kontakteinschränkungen immer wieder lebensfremde Altersbeschränkungen. Im Stufenplan waren Jugendliche quasi nicht vorhanden. Das geht so nicht.

Kinder und Jugendliche haben sich während der gesamten Pandemie im hohen Maße sehr diszipliniert verhalten und sich an die Regeln gehalten. Vor allem aber, sie haben sich außerordentlich solidarisch mit der älteren, besonders gefährdeten Bevölkerung gezeigt.

Es wird Zeit, dass diese Solidarität keine Einbahnstraße bleibt und dass wir Älteren solidarisch mit den Kindern und Jugendlichen sind. Und eine Corona-Politik machen, die die Interessen und Rechte von Kindern und Jugendlichen respektiert und priorisiert.

Dazu gehören auch endlich mehr Mitsprache und Partizipation von Kindern und Jugendlichen.

Natürlich ist nicht nur Politik gefragt, auch jede*r Einzelne kann etwas für Kinder und Jugendliche tun: Für alle, die noch zweifeln, denken Sie nicht nur an sich. Lassen Sie sich impfen, lassen Sie sich boostern. Sie tun das auch, damit Kinder und Jugendliche ihr Recht auf Schule und Kita wahrnehmen können.

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