Antrag: Bürgerenergie in Niedersachsen nicht stoppen: Akteursvielfalt erhalten, gesellschaftliche Akzeptanz sichern, regionale Wertschöpfung befördern

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Strommarkt befindet sich im Wandel. Bevor der Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen wurde und der Ausbau der Erneuerbaren Energien begann, war der Strommarkt zwischen wenigen großen Energiekonzernen aufgeteilt. Mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien wurde die Stromerzeugung dezentraler und die Besitzstrukturen vielfältiger.

Entsprechend einer Studie der Leuphana Universität Lüneburg wurden im Jahr 2012 bereits 46 Prozent der installierten Leistung von Onshore-Wind, Photovoltaik und Biomasse von regionalen Akteuren betrieben. Die Anlagen sind im Besitz von einzelnen Bürgerinnen und Bürgern, Landwirten, Energiegenossenschaften oder kleinen und mittleren Unternehmen aus der Region. Auch Stadtwerke haben einen großen Beitrag zum Ausbau der Erneuerbaren geleistet.

Grundsätzlich sind die meisten Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbarer Energie entsprechend ihrer technischen Ausrichtung auf kleinere Einheiten und eine dezentrale Produktion ausgelegt. Die erfolgreiche Etablierung der Erneuerbaren und der Strukturwandel hin zur Bürgerenergie wurde entscheidend durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) befördert. Denn Einspeisevorrang und garantierte Einspeisevergütungen bieten auch kleinen Akteuren mit weniger Markterfahrung verlässliche Rahmenbedingungen und überschaubare, klar kalkulierbare Risiken.

Insbesondere Windkraft-Investoren benötigen Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen, da diese Projekte inzwischen erhebliche Volumina erreicht haben und einen langen Planungsvorlauf benötigen. Andernfalls drohen weitere Investitionen in Erneuerbare Energien gehemmt zu werden. Vor diesem Hintergrund hat sich die Landesregierung gemeinsam mit anderen Ländern erfolgreich bei den Verhandlungen um die EEG-Reform für die Windenergie eingesetzt und den drohenden Brutto-Ausbaudeckel für Onshore-Wind verhindert. Bis zum Jahr 2016 konnten so klare Rahmenbedingungen für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren geschaffen werden. Darüber hinaus konnte die Aufnahme eines Puffers bezüglich der gedeckelten zuweisbaren Netzanschlusskapazität für Offshore-Windparks erreicht werden.

Bereits ab 2017 soll die Förderung der Erneuerbaren jedoch auf einen völlig neuen Mechanismus umgestellt werden. Über ein Ausschreibungsverfahren soll dann ermittelt werden, welche regenerativen Anlagen in welcher Höhe gefördert werden. Wie genau dieser Bieter-Wettbewerb organisiert werden soll, ist noch offen. Das Ausschreibungsverfahren soll 2015 in einem Pilotverfahren für die Förderung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen erprobt werden. Inwiefern die Erkenntnisse aus diesem  Pilotverfahren auf andere Technologien und größere Ausschreibungsmengen übertragen werden können, ist unklar. Somit herrscht erneut erhebliche Verunsicherung unter Investoren und in der Erneuerbaren-Energien-Branche.

Mit der Umstellung auf Ausschreibungen soll die Kosteneffizienz unter gleichzeitigem Erhalt der Akteursvielfalt gesteigert werden. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen jedoch, welche Probleme mit Ausschreibungsmodellen einhergehen können. Die Zugangshürden benachteiligen kleine Akteure, die weniger Markerfahrung haben und nicht von Größeneffekten profitieren können. Ausschreibungen sind mit bürokratischem Mehraufwand verbunden und steigern die finanziellen Projektrisiken. Diese Mehrkosten müssen von den Projektträgern eingepreist werden und können so die Gesamtkosten der Energiewende erhöhen. Zudem werden häufig Projekte, die eine Förderzusage erhalten haben, nicht realisiert.

Ein unausgereiftes oder untaugliches Ausschreibungsdesign gefährdet die Energiewende in Niedersachsen. Kleine, lokale und kommunale Akteure dürfen nicht aus dem Markt verdrängt werden. Die Zugangsvoraussetzungen für die Teilnahme an den Ausschreibungen dürfen regional verankerte Projekte nicht benachteiligen. Denn Dezentralität, Akteursvielfalt und Bürgerbeteiligung sichern die nötige Akzeptanz für Klimaschutz und Energiewende. Denn dort wo Bürgerinnen und Bürger, Stadtwerke und regionale Unternehmen den Ausbau der Erneuerbaren aktiv mitgestalten und finanziell an den Chancen der Energiewende beteiligt sind, wird Akzeptanz und Unterstützung befördert.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, auf Bundesebene

  • sich für Planungssicherheit für den weiteren Ausbau der Erneuerbarer Energien über 2016 hinaus einzusetzen, insbesondere für klare und transparente Rahmenbedingungen für Windenergie-Projekte
  • darauf zu drängen, dass die Pilotausschreibung für Photovoltaik-Freiflächenanlagen sorgfältig ausgewertet und die Übertragbarkeit auf weitere Technologien kritisch hinterfragt wird, bevor eine Ausschreibungspflicht für weitere regenerative Technologien eingeführt wird
  • sich für den Erhalt der Akteursvielfalt im Energiemarkt einzusetzen und darauf hinzuwirken, die Wettbewerbschancen von lokalen, genossenschaftlich organisierten oder von Stadtwerken getragene Erneuerbare-Energie-Projekte zu wahren
  • sich für eine De-Minimis-Regelung für kleine Erneuerbare-Energie-Projekte einzusetzen, die die in den EU-Beihilfeleitlinien vorgesehenen Spielräume  für Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht voll ausschöpft
  • auf Grundlage der Erkenntnisse aus der Pilotausschreibung für eine Prüfung einzusetzen, ob durch eine deutsche Initiative bei der EU größere Spielräume im Hinblick auf Ausnahmen von einer Ausschreibungspflicht eingeräumt werden könnten.
  • sich für die Entwicklung eines Modells zur regionalen Vermarktung von Grünstrom einzusetzen

Begründung

Das reformierte EEG sieht vor, dass spätestens ab 2017 die Umstellung des bisherigen Fördersystems auf ein Ausschreibungsmodell erfolgen soll. Die Bundesregierung folgt mit der geplanten Umstellung auf Ausschreibungen den Vorgaben der neuen Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen der Europäischen Kommission.

Demnach soll ab 2017 in Europa die Förderung der Erneuerbaren Energien ab einer gewissen Projektgröße auf der Basis von Ausschreibungen erfolgen. Kleine Anlagen können von der Ausschreibungspflicht über eine de-Minimis-Regelung ausgenommen werden. Demnach können beispielsweise Photovoltaik-Anlagen bis 1 MW von der Ausschreibungspflicht befreit werden, bei Windenergieanlagen liegt die Grenze bei 6 MW bzw. 6 Erzeugungseinheiten. Zudem sehen die EU-Leitlinien Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht vor, für den Fall, dass zu wenige geeignete Vorhaben oder Standorte existieren, das Ausschreibungsverfahren zu höheren Fördersätzen führt oder es zu weniger Projektrealisierungen kommt.

Bis zum vollständigen Wechsel auf ein Ausschreibungsverfahren für alle Technologien sollen laut EEG 2014 im Rahmen eines Pilotvorhabens für Freiflächenanlagen Erfahrungen mit Ausschreibungsmodellen gesammelt werden. Bevor die Ausschreibungspflicht auf weitere Technologien ausgeweitet wird muss sorgfältig geprüft werden, ob dieses Instrument geeignet ist, die Ausbauziele zu erreichen, die Akteursvielfalt zu erhalten und die Kosteneffizienz zu steigern. Vor- und Nachteile des Ausschreibungsmodells müssen abgewogen werden.

Mit der EEG-Reform 2014 wurde das Grünstromprivileg abgeschafft, das bislang eine dezentrale Vermarktung und Marktintegration der Erneuerbaren förderte. Insbesondere das Grünstromprivileg für Solarstrom bot eine Möglichkeit, Strom aus erneuerbaren Energien an Händler oder Endkunden in unmittelbarer Nähe der Erzeugung zu vertreiben. Strom, der auf diese Weise regional vermarktet wurde, wurde aus dem Fördersystem  des EEG herausgenommen und dem freien Strommarkt zugeführt. Da eine direkte Vermarktung von regional erzeugtem Ökostrom die Marktintegration der Erneuerbaren fördert, die Akzeptanz der Energiewende vor Ort steigern und gleichzeitig die Übertragungsnetze entlasten kann, muss ein Ersatz für das Grünstromprivileg geschaffen werden. Dies ist zudem notwendig, um die derzeitige wirtschaftliche Schlechterstellung von Mietern gegenüber Hauseigentümern bei der Belastung des eigenverbrauchten Stroms mit der EEG-Umlage zu beheben. Ein Hauseigentümer mit einer PV-Anlage bis zu 10 kW installierte Leistung und einer selbst verbrauchten Strommenge von bis zu 10 MWh ist von der EEG-Umlage befreit. Eine Mietergemeinschaft hat derzeit keine Möglichkeit, den im eigenen Haus erzeugten Strom umlagefrei zu beziehen.

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