Kleine Anfrage:Die Ersatzfreiheitsstrafe in Niedersachsen

Kleine Anfrage der Abgeordneten Volker Bajus, Marie Kollenrott, Detlev Schulz-Hendel

Anfrage der Abgeordneten Volker Bajus, Marie Kollenrott, Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE) an die Landesregierung, eingegangen am 17.02.2022

Laut Auskunft der Niedersächsischen Anlaufstellen für Straffällige (www.die-anlaufstellen.de) sind regelmäßig 450 Plätze in niedersächsischen Justizvollzugsanstalten (JVA) mit Personen belegt, die eine Ersatzfreiheitsstrafe (EFS) verbüßen.

EFS werden verhängt, wenn jemand seine Geldstrafe nicht zahlen kann oder will. „Dann muss die oder der Verurteilte die ,Tagessätze‘ absitz(en). Das kostet nicht nur viel Geld und belegt knappe Haftplätze. Außerdem bekommt die oder der Verurteilte zusätzliche Probleme, weil Bindungen zur Familie oder dem Berufsleben für eine bestimmte Zeit unterbrochen werden. Wenn sie oder er stattdessen gemeinnützige Arbeit verrichtet, ist damit allen gedient“ ,führt die Landesregierung auf ihrer Webseite zum Programm „Schwitzen statt Sitzen“ aus, das genauso wie die Maßnahme „Geldverwaltung statt Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe“ dazu führen soll, EFS zu vermeiden.

Die neue Bundesregierung plant laut Medienberichten die Herabstufung des „Schwarzfahrens“ (Erschleichen von Leistungen, § 265 a StGB) zu einer Ordnungswidrigkeit. Dieses Ansinnen wird vom Deutschen Anwaltverein (DAV) auch deshalb unterstützt, weil es die Anzahl der EFS reduzieren würde.

1. a) Wie viele Haftplätze waren im Durchschnitt pro Jahr in den Jahren 2017 bis 2021 in den niedersächsischen JVA wegen einer EFS belegt?

b) Wie viele Personen haben in den Jahren 2017 bis 2021 pro Jahr eine EFS in einer JVA in Niedersachsen angetreten? Wie hoch ist ihr Anteil an den gesamten Haftantritten jeweils?

2. a) Wie viele Tage beträgt die durchschnittliche Haftdauer bei einer EFS in Niedersachsen?

b) Was war in den Jahren 2019 und 2021 jeweils die kürzeste und längste EFS-Dauer?

3. Welche Kosten erzeugt ein Tag EFS-Haft?

4. Wegen welcher zehn häufigsten Delikte wurde jeweils in den Jahren 2017 bis 2021 in Niedersachsen eine EFS verbüßt (bitte aufschlüsseln nach Jahren, Delikt und Anzahl)?

5. Wie hoch war der durchschnittliche Tagessatz der Geldstrafen, zu dem die Personen verurteilt wurden, die später eine EFS verbüßt haben, in den Jahren 2017 bis 2021?

6. Bei wie vielen der EFS-Inhaftierten wurde die Geldstrafe

a) im Rahmen eines Strafbefehls,

b) nach mündlicher Verhandlung verhängt (bitte die prozentualen Anteile angeben)?

7. Bei wie vielen EFS-Inhaftierten (jeweils nach Frage 6 a) und b) aufgeschlüsselt) wurde eine Schätzung ihrer Einkünfte, ihres Vermögens und anderer Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes i. S. d. § 40 Abs. 3 StGB vorgenommen?

8. Wie hoch sind die Geschlechteranteile (männlich, weiblich, divers) der EFS-Inhaftierten?

9. a) Welche Maßnahmen hat die Landesregierung infolge des 2019 vorgestellten Abschlussberichts der Bund-Länder-Arbeitsgruppe des JuMiKo-Strafrechtsausschusses zu dem Thema „Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten - Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 43 StGB“ ergriffen?

b) Hat die Landesregierung Kenntnis von Konsequenzen und Maßnahmen, die die Bundesregierung aus dem Abschlussbericht gezogen bzw. ergriffen hat? Falls ja, welche?

10. Erfolgt in Niedersachsen zwischen der Verurteilung zu einer Geldstrafe und dem EFS-Haftantritt (jenseits des Hinweises nach § 2 Abs. 1 ErsFrhStrAbwV ND) eine persönliche, insbesondere aufsuchende, Kontaktaufnahme vonseiten der zuständigen Behörden zu nicht zahlungsbereiten oder -fähigen Personen (etwa vergleichbar mit den Projekten „Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen“ in Nordrhein-Westfahlen und Baden-Württemberg)? Falls ja, in welcher Weise? Falls nein, warum nicht?

11. Wie hoch ist jeweils die Abbruchquote der Programme „Schwitzen statt Sitzen“, „Geldverwaltung statt Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe“ und gegebenenfalls weiterer ähnlicher Programme? Aus welchen Gründen erfolgen Abbrüche, und was unternimmt die Landesregierung zu deren Verhinderung?

12. Warum können nach Auffassung der Landesregierung nicht alle von einer EFS bedrohten Personen an den Programmen „Schwitzen statt Sitzen“, „Geldverwaltung statt Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe“ und gegebenenfalls weiteren ähnlichen Programmen teilnehmen? Warum treten viele Personen trotz des Bestehens der Programme eine EFS an?

13. Gibt es in Niedersachsen, wie in anderen Ländern, die Möglichkeit, auch während der Inhaftierung wegen der EFS durch „freie Arbeit“ in der JVA Hafttage abzuarbeiten (sogenannte Day-by-Day-Projekte)? Wenn nein, warum nicht?

14. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung bzw. haben die zuständigen Behörden ergriffen, um das Programm „Schwitzen statt Sitzen“ auch während der Corona-Pandemie durchführen zu können?

15. Wird die jährliche „Weihnachtsgnade“ auch auf Personen, die eine EFS absitzen, angewandt? Falls nein, warum nicht?

16. Welcher Anteil der EFS wurde jeweils in den Jahren 2017 bis 2021 im offenen Vollzug abgeleistet?

17. Nach welchen Kriterien entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob eine EFS im Rahmen des offenen Vollzugs abgeleistet werden kann?

18. Erhalten wegen einer EFS inhaftierte Personen in Haft andere/spezifische Angebote oder Unterstützung als zu einer Freiheitsstrafe verurteilte Personen? Falls ja, welche?

19. Wie viele spätere EFS-Häftlinge sind wegen „Schwarzfahrens“, also des Erschleichens von Leistungen nach § 265 StGB, in den Jahren 2017 bis 2021 verurteilt worden?

20. Wie hoch war bei den EFS-Häftlingen, die wegen „Schwarzfahrens“, also des Erschleichens von Leistungen, verurteilt wurden, die durchschnittliche, kleinste und größte Geldstrafe?

21. Wie bewertet die Landesregierung die nach Medienberichten vom Bundesjustizministerium geplante Überprüfung des sogenannten Schwarzfahrens (Erschleichen von Leistungen, § 265 a StGB) in Bezug auf die Strafbarkeit?

Alle Informationen und die Antwort der Landesregierung (sobald verfügbar) gibt es hier.

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